
Die Platinamsel
Mitte Juli klingelte nachmittags das Telefon. Bestimmt wieder ein Vogelnotfall!
Der Anrufer bat um Hilfe für einen aufgefundenen Jungvogel, vermutlich eine Amsel.
Diese sei von einer Katze gegriffen worden und nun am Flügel verletzt. Wir baten den Anrufer, uns den Jungvogel schnellst möglich vorbei zu bringen, damit er medizinisch versorgt werden kann. Gerade wenn Verletzungen durch Katzen verursacht wurden bzw vermutet werden, ist es besonders wichtig den Vogel möglichst schnell mit Antibiotika zu versorgen, da es ansonsten häufig innerhalb kurzer Zeit zu tödlichen Infektionen kommen kann. Kurze Zeit später konnten wir den Vogel in Empfang nehmen.
Es handelte sich tatsächlich um eine junge Amsel.
Hierzu muss man erwähnen, dass die Bestimmung der Vogelart sich oftmals als nicht so einfach erweist, wie man manchen Internetseiten entnehmen könnte, v.a. wenn es sich um Jungvögel handelt. So haben wir es auch schon erlebt, dass es sich bei dem uns telefonisch angekündigten Mäusebussard in Wirklichkeit um eine Ringeltaube handelte und bei dem jungen Turmfalken um einen Mauersegler.
Unsere junge Amsel hatte eine kleinere Fleischwunde am Flügel. Zudem vermuteten wir leider auch ein gebrochenes Bein. Die Untersuchung durch den Tierarzt und das angefertigte Röntgenbild bestätigten diesen Verdacht leider sehr schnell. Um dem lebensfrohen Vogelkind zu helfen, schlug Dr. Rautenberg eine OP vor, bei der der Knochenbruch durch einen Marknagel aus Platin (deshalb auch die "Platin-Amsel") stabilisiert werden sollte.
Mit etwas Glück könnte der Bruch so heilen und die Funktion des Beins wieder hergestellt werden.
Da die OP direkt im Anschluss an die Sprechstunde stattfinden sollte ließen wir die Amsel in der Tierarztpraxis und fuhren erstmal wieder nach Hause. Hier warteten noch einige andere hungrige Vögel auf die nächste Fütterung. In Gedanken waren wir bei der Amsel in der Hoffnung, dass sie die OP gut überstehen würde.
Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichte uns der erlösende Anruf: die OP sei gut verlaufen und der Vogel wohlauf.
Jedoch sollten die nächsten Tage noch einmal spannend werden. Fraglich war noch, ob das Bein wieder normal durchblutet werden würde und ob die durch den Bruch möglicherweise durchtrennten Nerven so zusammen wachsen würden, dass unsere Jungamsel das Bein auch wieder normal benutzen könnte.
Am darauf folgenden Morgen stellten wir mit Erleichterung fest, dass das gebrochene Bein, welches bereits vor der OP deutlich kälter als das gesunde Bein war, sich nun schon deutlich wärmer anfühlte. Der Greifreflex war nach 3 Tagen wieder normal ausgeprägt. Zum großen Glück für unsere "Platin-Amsel" bekamen wir kurze Zeit später noch eine weitere Amsel, im selben Alter. In Gesellschaft ist es natürlich deutlich schöner!
Leider musste der Verband ca. 3 Wochen am Bein bleiben,was unsere Amsel aber nicht großartig zu stören schien. Die beiden waren nach 2 Wochen einfach nicht mehr zu bremsen. Das "Nest"wurde verlassen und die ersten, teilweise sehr wilden Ausflüge durch die Auffangstation unternommen.
Dann endlich kam der "Tag der Wahrheit" und es wurde nochmal spannend. Eine weitere Röntgenaufnahme zeigte, das alles gut verheilt war, der Verband wurde entfernt und einer baldigen Auswilderung stand nichts mehr im Wege.
Ende August war es dann so weit. Die beiden Jungamseln wurden bei schönsten Sommerwetter gesund und munter, nach ca. 5 Wochen Pflege, in die Freiheit entlassen.
Solche Augenblicke entschädigen einen einfach für Alles-Sorgen, Mühen und auch Trauer, wenn es ein Vogel dann doch mal nicht schafft.
Unser großer Dank gilt dem Tierarztteam R² aus Duderstadt!
Magnus Duda