Wie funktioniert die Kirchensteuer? Ein umfassender Leitfaden
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Geschichte der Kirchensteuer in Deutschland
- Rechtliche Grundlagen der Kirchensteuer
- Wer muss Kirchensteuer zahlen?
- Berechnung der Kirchensteuer
- Verwendung der Kirchensteuer
- Kirchensteuer und Lohnsteuer
- Kirchensteuer bei Kapitalerträgen
- Kirchenaustritt und seine Folgen
- Kritik an der Kirchensteuer
- Alternativen zur Kirchensteuer
- Fazit
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Einleitung
Die Kirchensteuer ist ein wichtiger Bestandteil des deutschen Steuersystems und gleichzeitig ein Thema, das immer wieder für Diskussionen sorgt. In diesem Artikel werden wir uns eingehend damit beschäftigen, wie die Kirchensteuer funktioniert, wer sie zahlen muss und welche Auswirkungen sie auf das Leben der Bürger und die Finanzierung der Kirchen hat. Ob Sie selbst Kirchensteuerzahler sind oder einfach mehr über dieses komplexe Thema erfahren möchten, dieser Leitfaden wird Ihnen einen umfassenden Überblick verschaffen.
Geschichte der Kirchensteuer in Deutschland
Die Wurzeln der Kirchensteuer in Deutschland reichen weit in die Geschichte zurück. Bereits im Mittelalter gab es verschiedene Formen von Abgaben an die Kirche, wie den Zehnten. Die moderne Form der Kirchensteuer, wie wir sie heute kennen, entstand jedoch erst im 19. Jahrhundert.
Mit der Säkularisation zu Beginn des 19. Jahrhunderts verloren die Kirchen einen Großteil ihres Besitzes und damit ihrer finanziellen Grundlage. Als Ausgleich dafür wurde die Kirchensteuer eingeführt. In Preußen geschah dies 1875, andere deutsche Länder folgten. Die Weimarer Reichsverfassung von 1919 bestätigte das Recht der Religionsgemeinschaften, Steuern zu erheben, und dieses Recht wurde später auch im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankert.
Rechtliche Grundlagen der Kirchensteuer
Die rechtliche Basis für die Erhebung der Kirchensteuer in Deutschland bildet Artikel 140 des Grundgesetzes in Verbindung mit Artikel 137 der Weimarer Reichsverfassung. Diese Artikel gewähren den Religionsgemeinschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, das Recht, Steuern zu erheben.
Darüber hinaus gibt es in jedem Bundesland eigene Kirchensteuergesetze, die die Details der Erhebung regeln. Die Kirchen selbst erlassen Kirchensteuerordnungen, in denen sie die genauen Modalitäten festlegen. Wichtig zu beachten ist, dass der Staat lediglich den rechtlichen Rahmen zur Verfügung stellt und die Erhebung der Kirchensteuer unterstützt, aber die Kirchen selbst bestimmen über die Höhe und Verwendung der Steuer.
Wer muss Kirchensteuer zahlen?
Grundsätzlich sind alle Mitglieder einer steuerberechtigten Kirche zur Zahlung der Kirchensteuer verpflichtet, sofern sie in Deutschland steuerpflichtig sind. Zu den steuerberechtigten Kirchen gehören:
- Die römisch-katholische Kirche
- Die evangelischen Landeskirchen
- Einige freikirchliche Gemeinden
- Die jüdischen Gemeinden
- Die altkatholische Kirche
Die Kirchensteuerpflicht beginnt mit der Taufe oder dem Eintritt in eine Kirche und endet mit dem offiziellen Kirchenaustritt oder dem Tod. Wichtig zu wissen ist, dass auch Personen, die getauft wurden, aber nicht aktiv am Kirchenleben teilnehmen, zur Zahlung verpflichtet sind, solange sie offiziell Mitglied der Kirche sind.
Ausnahmen von der Kirchensteuerpflicht
Es gibt einige Ausnahmen von der Kirchensteuerpflicht:
- Kinder und Jugendliche bis zum Beginn ihrer Erwerbstätigkeit
- Personen mit sehr geringem Einkommen
- Arbeitslose, die ausschließlich Arbeitslosengeld II beziehen
- Studenten, die nur BAföG erhalten
Diese Ausnahmen variieren jedoch je nach Bundesland und Kirchensteuerordnung, daher ist es ratsam, sich im Einzelfall zu informieren.
Berechnung der Kirchensteuer
Die Höhe der Kirchensteuer wird als Prozentsatz der Einkommensteuer berechnet. Dieser Prozentsatz beträgt in den meisten Bundesländern 9%, in Baden-Württemberg und Bayern 8%. Die genaue Berechnung erfolgt folgendermaßen:
- Zunächst wird die Einkommensteuer des Steuerpflichtigen ermittelt.
- Von dieser Einkommensteuer werden 9% (bzw. 8% in Baden-Württemberg und Bayern) als Kirchensteuer berechnet.
- Es gibt eine Kappungsgrenze: Die Kirchensteuer darf nicht mehr als 3-4% des zu versteuernden Einkommens betragen.
Ein Beispiel zur Veranschaulichung: Bei einer Einkommensteuer von 10.000 Euro pro Jahr würde die Kirchensteuer in einem Bundesland mit 9% Kirchensteuersatz 900 Euro betragen.
Verwendung der Kirchensteuer
Die Kirchensteuer ist für die Kirchen eine wichtige Einnahmequelle. Sie wird für verschiedene Zwecke verwendet:
- Finanzierung des Personalwesens (Gehälter für Pfarrer, Kirchenmusiker, Verwaltungsangestellte etc.)
- Unterhalt und Renovierung von Kirchengebäuden und anderen kirchlichen Einrichtungen
- Finanzierung von Bildungseinrichtungen wie Kindergärten und Schulen
- Soziale und karitative Arbeit (z.B. Unterstützung von Bedürftigen, Betrieb von Krankenhäusern und Pflegeheimen)
- Seelsorge und pastorale Arbeit
- Kirchliche Entwicklungshilfe und Missionsarbeit
Die genaue Verteilung der Mittel kann von Kirche zu Kirche und von Diözese zu Diözese variieren. Die Kirchen sind verpflichtet, über die Verwendung der Kirchensteuer Rechenschaft abzulegen.
Kirchensteuer und Lohnsteuer
Für die meisten Arbeitnehmer wird die Kirchensteuer zusammen mit der Lohnsteuer direkt vom Arbeitgeber einbehalten und an das Finanzamt abgeführt. Dies geschieht auf Grundlage der Lohnsteuerklasse und der im Steuerbescheid vermerkten Religionszugehörigkeit.
Der Arbeitgeber erhält diese Informationen über die elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale (ELStAM). Für den Arbeitnehmer bedeutet dies, dass die Kirchensteuer bereits vom Bruttogehalt abgezogen wird und nicht separat gezahlt werden muss.
Kirchensteuer bei Kapitalerträgen
Seit 2015 wird auch auf Kapitalerträge, die der Abgeltungsteuer unterliegen, automatisch Kirchensteuer erhoben. Dies betrifft beispielsweise Zinsen auf Spareinlagen oder Dividenden aus Aktien. Die Banken und Sparkassen führen die Kirchensteuer direkt an das Finanzamt ab.
Der Kirchensteuersatz auf Kapitalerträge beträgt 8% der Abgeltungsteuer in Baden-Württemberg und Bayern und 9% in den übrigen Bundesländern. Kirchenmitglieder können der Weitergabe ihrer Religionszugehörigkeit an die Banken widersprechen, müssen dann aber ihre Kapitalerträge in der Steuererklärung angeben.
Kirchenaustritt und seine Folgen
Wer keine Kirchensteuer mehr zahlen möchte, kann aus der Kirche austreten. Der Kirchenaustritt muss offiziell erklärt werden, in der Regel beim Standesamt oder Amtsgericht. Hierfür fällt eine Gebühr an, die je nach Bundesland und Kommune zwischen 20 und 60 Euro beträgt.
Die Kirchensteuerpflicht endet mit dem Monat, in dem der Austritt erklärt wurde. Es ist wichtig zu beachten, dass der Kirchenaustritt nicht nur finanzielle, sondern auch religiöse und soziale Konsequenzen haben kann:
- Verlust des Rechts auf kirchliche Amtshandlungen wie Taufe, kirchliche Trauung oder Beerdigung
- Ausschluss von der Übernahme kirchlicher Ämter (z.B. Patenschaft)
- Mögliche Einschränkungen bei der Arbeit in kirchlichen Einrichtungen
Ein Wiedereintritt in die Kirche ist grundsätzlich möglich, wird aber oft von bestimmten Bedingungen abhängig gemacht.
Kritik an der Kirchensteuer
Die Kirchensteuer ist nicht unumstritten. Kritiker führen verschiedene Argumente gegen das System an:
- Trennung von Staat und Kirche: Einige sehen in der staatlichen Unterstützung bei der Erhebung der Kirchensteuer einen Verstoß gegen das Prinzip der Trennung von Staat und Kirche.
- Zwangsmitgliedschaft: Die Tatsache, dass man automatisch kirchensteuerpflichtig wird, wenn man als Kind getauft wurde, wird von manchen als problematisch angesehen.
- Höhe der Steuer: Für Gutverdiener kann die Kirchensteuer eine erhebliche finanzielle Belastung darstellen.
- Mangelnde Transparenz: Trotz Rechenschaftspflicht kritisieren einige eine mangelnde Transparenz bei der Verwendung der Kirchensteuer.
Befürworter argumentieren dagegen, dass die Kirchensteuer ein faires System sei, das die Finanzierung wichtiger sozialer und kultureller Aufgaben der Kirchen sicherstelle.
Alternativen zur Kirchensteuer
In anderen Ländern gibt es verschiedene Modelle zur Finanzierung von Religionsgemeinschaften, die als Alternativen zur deutschen Kirchensteuer diskutiert werden:
- Freiwillige Beiträge: In einigen Ländern finanzieren sich die Kirchen ausschließlich durch freiwillige Spenden ihrer Mitglieder.
- Staatliche Finanzierung: In manchen Ländern werden die Kirchen direkt aus dem Staatshaushalt finanziert.
- Kultursteuer: In Italien können Steuerzahler einen Teil ihrer Einkommensteuer entweder an eine Religionsgemeinschaft oder für kulturelle Zwecke spenden.
- Mandatsmodell: In Spanien können Steuerzahler entscheiden, ob ein Teil ihrer Steuer an die katholische Kirche oder für andere soziale Zwecke verwendet wird.
Jedes dieser Modelle hat Vor- und Nachteile, und eine Übernahme in Deutschland würde weitreichende Veränderungen im Verhältnis zwischen Staat und Kirche bedeuten.
Fazit
Die Kirchensteuer ist ein komplexes und vielschichtiges Thema, das tief in der deutschen Geschichte und Gesellschaft verwurzelt ist. Sie stellt für die Kirchen eine wichtige Finanzierungsquelle dar und ermöglicht ihnen, vielfältige soziale und kulturelle Aufgaben wahrzunehmen. Gleichzeitig ist sie Gegenstand anhaltender Diskussionen über das Verhältnis von Staat und Kirche in einer zunehmend säkularen Gesellschaft.
Für den einzelnen Bürger bedeutet die Kirchensteuer oft eine nicht unerhebliche finanzielle Verpflichtung, der man sich durch Kirchenaustritt entziehen kann – allerdings mit möglichen religiösen und sozialen Konsequenzen. Es ist daher wichtig, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und eine informierte Entscheidung zu treffen.
Die Zukunft der Kirchensteuer in Deutschland bleibt ein spannendes Thema. Angesichts sinkender Mitgliederzahlen und veränderter gesellschaftlicher Rahmenbedingungen ist es wahrscheinlich, dass das System in den kommenden Jahren weiter diskutiert und möglicherweise angepasst wird.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
1. Kann ich die Kirchensteuer von der Steuer absetzen?
Ja, die gezahlte Kirchensteuer kann als Sonderausgabe in der Einkommensteuererklärung geltend gemacht werden. Dies reduziert das zu versteuernde Einkommen und kann zu einer Steuererstattung führen.
2. Muss ich Kirchensteuer zahlen, wenn ich im Ausland arbeite?
Wenn Sie Ihren Wohnsitz in Deutschland behalten und in Deutschland steuerpflichtig bleiben, müssen Sie in der Regel auch weiterhin Kirchensteuer zahlen. Bei einem dauerhaften Umzug ins Ausland entfällt die Kirchensteuerpflicht in Deutschland.
3. Wie wirkt sich ein Kirchenaustritt auf meine Steuern aus?
Nach einem Kirchenaustritt müssen Sie keine Kirchensteuer mehr zahlen. Die Kirchensteuerpflicht endet mit dem Monat, in dem der Austritt erklärt wurde. Allerdings kann der Austritt auch Auswirkungen auf andere Bereiche haben, wie z.B. die Möglichkeit, kirchliche Dienste in Anspruch zu nehmen.
4. Zahlen Muslime in Deutschland Kirchensteuer?
Nein, muslimische Gemeinden in Deutschland erheben keine Kirchensteuer, da sie nicht den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts haben. Muslime finanzieren ihre Gemeinden in der Regel durch freiwillige Spenden.
5. Was passiert mit der Kirchensteuer bei gemischtkonfessionellen Ehen?
Bei Ehepaaren, bei denen nur ein Partner Mitglied einer steuerberechtigten Kirche ist, wird die Kirchensteuer nur für diesen Partner berechnet. Wenn beide Partner unterschiedlichen Kirchen angehören, wird die Kirchensteuer entsprechend aufgeteilt.